Damo Chuan Kung Fu

Damo-Chuan

Ein Überblick

Die Motive der Menschen, die mit dem Studium einer Kampfkunst beginnen wollen, sind allgemein recht unterschiedlich. Deshalb ist es für Außenstehende schwierig zu beurteilen, ob sich der Unterricht in einem speziellen Stil für einen bestimmten Interessenten eignet. Nachfolgend werden einige Aspekte der Schulung im Damo Chuan Kung Fu beschrieben, die dem Übenden offenstehen, um seine persönlichen körperlichen und geistigen Voraussetzungen zu verbessern und seine Fähigkeiten schrittweise auszubauen.

1. Schulung einer harmonischen und effizienten Bewegungskultur

Im Damo Chuan geht es um das Erlernen, Verstehen und Anwenden von elementaren Ständen, Schritten und Drehungen, die später mit speziellen Kampftechniken (Schlägen, Stößen, Tritten, Griffen etc.) kombiniert werden. Aus diesem Grunde eignet sich das Training im Damo Chuan auch zur Korrektur von Haltungsfehlern und dient der Verbesserung von Beweglichkeit und Flexibilität der Muskeln und Sehnen.

Ein Schwerpunkt innerhalb der Schulung des Körpers ist das Verständnis einer korrekten Atmung. Aufgrund der modernen Lebensweise haben viele Menschen verlernt, was es bedeutet, richtig zu atmen. Eine ungünstige, flache Atmung, die sich lediglich im Brustkorb abspielt, führt dem Organismus zu wenig Sauerstoff zu und behindert die Bewegung des Körpers, deshalb lernen die Schüler des Damo Chuan ‚mit dem Bauch zu atmen‘. Auf diese Weise kann sich der Schüler schrittweise eine Bewegungskultur aneignen, die seinen persönlichen Voraussetzungen entspricht.

2. Erhöhung der physischen und psychischen Widerstandskraft

Während des Trainings im Damo Chuan aktiviert der Übende seine körperlichen und geistigen Kräfte. Dies führt zu einer allgemeinen Steigerung der physischen und psychischen Widerstandskraft; bereits nach relativ kurzer Zeit sind erste Zeichen dieser Entwicklung vor allem im konditionellen Bereich zu entdecken. Der Grund hierfür liegt in der Trainingsmethodik des Damo Chuan. Viele Übungen erfordern den Einsatz von Atmung, Kraft und Muskelspannung. Bei kontinuierlichem Training bewirkt dies eine Steigerung der physischen Kräfte und zwar nicht lediglich in den Armen oder Beinen, sondern in allen Bereichen des Körpers.

Der Schüler muss sich durch bewussten Einsatz des Willens zur korrekten Ausführung der Übungen motivieren. Deshalb erlangt er die Fähigkeit, mit Konzentration und Einsatz an einer Aufgabe zu arbeiten. Im Zuge dieser Entwicklung bemerken viele Schüler, dass sie auch den Herausforderungen des Alltags besser gewachsen sind, denn sie wenden ihre Fähigkeiten der konzentrierten Bemühung und den Einsatz ihres Willens nun auch auf die Belange des täglichen Lebens an.

Innerhalb des Unterrichts wird der Schüler immer wieder mit der Aufgabe konfrontiert, seinen Geist zu sammeln. Das Sich-Versenken in einen konkreten Bewegungs- und Handlungsablauf schult die Fähigkeit zur geistigen Konzentration. Im Zuge der Ausbildung erweitern sich die mentalen Möglichkeiten des Schülers.

Dies zeigt sich, wenn er seine Aufmerksamkeit auf die Angelegenheiten des täglichen Lebens richtet: die Prozesse des Lernens und Verstehens in allen möglichen Bereichen (Schule, Studium, Beruf) vollziehen sich auf effizientere Weise. Der Übende entwickelt die Fähigkeit, seine Gedanken so auszurichten, dass eine spontane und wirkungsvolle Handlung möglich wird.

3. Verbesserung der Reaktionsgeschwindigkeit

Eine Regel, die nicht nur im Damo Chuan existiert, lautet: Das Auge ist schneller als die Hand. Hier wird ein Grundsatz der Kampfkunst angedeutet, der das Phänomen des Kampfes gerade als eine mentale Übung verdeutlicht. Das Auge symbolisiert den Geist, die Konzentration und Aufmerksamkeit des Kämpfers. Je klarer dieser Geist ist, desto effizienter kann der Körper auf einen Angriff reagieren. Eine hochentwickelte Reaktionsschnelligkeit setzt also einen konzentrierten Geist voraus. Im Damo Chuan wird der Schüler durch das Training darin unterrichtet, die Fähigkeit der spontanen Reaktion zu entwickeln.

4. Erlernen und Anwenden des Alten Wissens

Eine besonders wertvolle Qualität des traditionellen Kampfkunst-Trainings stellt die Vermittlung des sogenannten Alten Wissens dar. Dieses Wissen ist eine Sammlung von über Generationen zusammengetragenen Erfahrungen und Erkenntnissen. Wer bei der Meisterung seines Lebens das Rad nicht zum zweiten Male erfinden will, kann den Schatz des Alten Wissens nutzen, um Hinweise zu entdecken, die ein besseres Verstehen der persönlichen Situation ermöglichen. Die Basis dieser Schulungsmethode liefert die Beobachtung, dass die Menschen bei der Bewältigung ihres Lebens mit Problemen zu kämpfen haben, die sich auf gewisse allgemeine Grundmuster reduzieren lassen.

So muss sich beispielsweise jeder Mensch mit der Frage auseinandersetzen, welche Haltung er gegenüber der Tatsache entwickeln will, dass das Leben immer Phasen des Schmerzes und der Niederlage beinhaltet. Keinem Menschen ist es beschert, ein Leben frei von leidvollen Erfahrungen zu führen. Kampfkunst und ihr Altes Wissen zeigen, wie man lernen kann, mit solchen schmerzhaften Realitäten umzugehen. Eine anderer Bereich des Alten Wissen betrifft die Lehre vom Körper, seinen Funktionen und seinen Bedürfnissen. Weiterhin werden Zusammenhänge zwischen Körper und Geist, Bewegung und Atmung, Gedanke und Bewusstsein und vielen anderen Bereichen vermittelt.

Die Quellen dieses Alten Wissens sind vielfältig. Selbstverständlich bezieht die Lehre des Damo Chuan einen großen Teil ihrer methodischen Grundlagen aus der buddhistischen Philosophie, insbesondere aus den Lehren des Zen. Desweiteren stellen daoistische und konfuzianische Anschauungen wertvolle Bereicherungen der Damo Chuan Schulung dar, beispielsweise auf dem Gebiet der Yin-Yang Philosophie und im Bereich der sozialen Ethik.

5. Entwicklung von Intuition und Kreativität

Intuition kann in diesem Zusammenhang als die Fähigkeit interpretiert werden, die Wahrnehmung aller Sinne so zu bündeln, dass daraus ein hochentwickeltes Situationsgefühl entsteht. Selbstverständlich basiert Intuition auf der Art und dem Umfang der Erfahrungen, die ein Schüler im Laufe seiner Ausbildung gemacht hat. Je erfahrener er ist, desto leichter fällt es ihm, sich seiner Intuition zu öffnen und ihr schließlich auch zu folgen.

Kreativität wird durch den schöpferischen Übungsanteil des Trainings entwickelt, der auf der formellen Schulung basiert. Ohne formelles Training, das heißt Übung der grundlegenden Techniken, kann sich keine Kreativität entfalten, denn sie fügt diese Techniken auf schöpferische Weise zusammen, stellt selbst aber keine Technik dar. Indem die Schüler des Damo Chuan trainieren, die erlernten Schritte, Schläge, Tritte und Griffe in den stilisierten Kampfübungen frei aber sinnvoll zu kombinieren, reorganisieren sie unterschiedliche Techniken zu neuen Mustern.

Das Unbewusste, also jener Teil der Psyche, der zwar nicht ohne weiteres willentlich zugänglich ist, aber über einen reichhaltigen Erfahrungsschatz verfügt, kann hier zur Wirkung kommen. So verbinden sich im Training des Damo Chuan Intuition beim Erfassen der Situation und Kreativität in der Verwendung der technischen Verfahren, Taktiken und Strategien.

6. Überwindung persönlicher Schwächen

In jeder traditionellen Kampfkunst stellt der Unterricht einen Spiegel der Persönlichkeit des Übenden dar, denn dies ist eine bewusst konzipierte Strategie der Schulung, um den Übenden zur Erkenntnis seiner Stärken und Schwächen anzuregen. Der große Stratege Sunzi formulierte bereits die Grundlage jeder erfolgreichen Auseinandersetzung: Nur wer seinen Gegner und sich selbst kennt, kann siegen. Kampfkunst lehrt, dass erst die illusionsfreie Kenntnis der eigenen Persönlichkeit ermöglicht, einen Kampf zu meistern. Dies kann dem Sinn nach auf alle Herausforderungen des Lebens angewendet werden.

So leitet sich die Übungspraxis aus dem Bestreben ab, die Stärken und Schwächen des Schülers transparent zu machen. Das Training im Damo Chuan ist geeignet, dem Schüler zu helfen, verschiedene latente Ängste zu erkennen und zu überwinden. Dies stärkt das Selbstvertrauen und die Motivation, sich weiteren inneren Konflikten zu stellen. In dieser Hinsicht gleicht Kampfkunst-Schulung einem höchstprivaten Laboratorium, in dessen konzentrierter Atmosphäre sich der Schüler mit seiner eigenen Persönlichkeit befassen kann.

7. Kenntnis und Übung in der Anwendung ästhetischer Ideale der buddhistischen Zen-Kunst

Die japanischen Zen-Künste, die eng mit der Lehre des Buddhismus verbunden sind, wie die Teezeremonie Chado, die Kalligraphie Shodo, die Blumensteck-Kunst Kado oder das traditionelle Bogenschießen Kyudo erfahren gerade auch wegen ihrer speziellen ästhetischen Form innerhalb der modernen westlichen Gesellschaften eine zunehmende Wertschätzung. Selbst Menschen, die die philosophischen Hintergründe dieser Künste nicht kennen, sind von der formvollendeten Meisterschaft der Bewegung, des Arrangements der benötigten Utensilien und des ritualisierten Handelns stark beeindruckt.

Teeschale

Die konzentrierte Stille der Teezeremonie, die faszinierende ‚chaotische Ordnung‘ der Kalligraphie-Schriftzeichen, die plötzliche Entladung gesammelter Energien in dem Augenblick des Schusses beim Kyodo – all diese ästhetischen Aspekte der Zen-Künste sprechen den modernen Menschen auf eine besondere Weise an. Im Zuge der Entwicklung der Zen-Künste haben sich gewisse Prinzipien herausgebildet, die man sowohl als ästhetische Grundlage als auch spirituelle Basis aller artifiziellen Prozesse und Handlungen innerhalb des Zen verstehen kann.